VON HAARIGEN PELZTIEREN UND GOLDENEN LOONIES - DIE WESTKANADA-REVIVALTOUR 2019 - Teil 1

| 06.09.2019 | | Canada
VON HAARIGEN PELZTIEREN UND GOLDENEN LOONIES - DIE WESTKANADA-REVIVALTOUR 2019 - Teil 1

TEIL 1

Schon das 12. Mal in B.C. und Alberta! 1993 haben wir in Vernon am Okanagan Lake geheiratet. Davor und seitdem waren wir echt oft hier zu Besuch. Aber nun ist es wohl wirklich die letzte Reise in unserem Leben in diese beiden kanadischen Provinzen. Sozusagen unsere Abschieds- und Revival(foto)tour. Wir haben uns dieses Mal viel Zeit gelassen zum Schauen, Geniessen und Fotografieren. Anders als sonst haben wir uns weder Orts- noch Zeitziele gesetzt mit Ausnahme des Besuchs bei unseren Freunden in Vernon und unserer "Great Bear Rainforest-Schiffstour ab dem 8. Juni. So sind wir einfach drauflos gefahren, jeweils nur mit dem aktuellenTagesziel. Andrea hatte dadurch ausreichende Ruhe und die richtige Muße gehabt, ihre Fotomotive zu finden und sie ins rechte Bild zu setzen. Mit viel Geduld und Ausdauer. Wir haben das sehr genossen. Und wir wurden dafür belohnt, denn wir haben auch viel erleben dürfen. Schönes und Berührendes. Mit Menschen, den Tieren und der Natur Kanadas. Es wird wohl daher ein sehr umfangreicher Reiseblog werden .....

Aber fangen wir ganz vorne an: Wir landen mittags, in einer pünktlichen und freundlichen 747 von LH sitzend, im wolkenverhangenen Vancouver und erleben die bislang schnellste (weniger als 30 min.) und problemloseste Zollabfertigung unseres Lebens: Ganz neu via vollelektronischer Erfassung. Ein tadelloser Jeep Cherokee wartet bereits und wird uns von nun an auf fast 8.000 km begleiten. Wir finden unser B&B im grünen Stadtteil Granville mit plüschigen weißen Teppichen und "Shoe Out". Am Spätnachmittag statten wir Downtown einen ersten Besuch ab und kassieren gleich unseren ersten Strafzettel wegen Falschparkens im Wert von 40 Euro. Irgendwie sind Parkhäuser in dieser Stadt schwer zu entdecken. Vancouver ist ein einziges Einbahnstraßengewirr. Trotz der vielen Touristen in der Gastown sind die armen Menschen, die hier auf der Straße leben, nicht zu übersehen. Wir dinieren in der altehrwürdigen "Old Spaghetti Factory" mit Original-Straßenbahnwaggon innendrin und fahren dann müde im Nieselregen zurück in unser Schlafnest.

Am nächsten Tag ist dann der von uns so geliebte Stanley Park und noch einmal das kleine Chinatown mit der engsten Gasse der Welt dran. Leider war der Himmel wieder grau und die sonst so erwünschten Farben kommen nicht so recht heraus. Eine Herausforderung für die Fotografin! Ein kleines Highlight ist das Marine Building mit seinem traumhaft gestalteten, sehr alten Innendesign. Ein Mini-Geheimtipp. Ganz traurig sieht es hingegen auf und rund um die Hastings Road im Osten der Stadt aus. Wahrscheinlich haben wir noch  niemals so viele Hunderte oder Tausende von Obdach- und Heimatlosen, Armen und Drogensüchtigen auf so engem Raum gesehen wie dort. Wir sind entsetzt darüber und Andrea macht ein paar Fotos von diesen Menschen. Es ist einfach furchtbar! Wir erfahren später noch Einiges über diese Situation hier. Sehr unterschiedliches und Widersprüchliches. Wir wissen nicht, was davon der Wahrheit entspricht und was nicht. Wie so oft auf dieser Welt.

Wir entscheiden uns, in Richtung Osten Vancouver zu verlassen, heraus aus der inzwischen riesigen Stadt mit ihren großen asiatisch geprägten Stadtbezirken. Nach Osoyoos und Penticton biegen wir spontan nach Norden ab. Dort machen wir Stopp im stark gewachsenen Kelowna am südlichen Okanagan Lake und wollen unseren Freund Rod aus alten Zeiten nach über 15 Jahren überraschen, der jetzt dort wohnt. Wie es der Zufall so will, liegen unser B&B, der Kaffee-Halt Starbucks und Rods Wohnung nur 2 km voneinander entfernt. Die Stippvisite wird ein voller Erfolg.

Am nächsten Tag hat Matthias Geburtstag und wir nehmen uns vor, nahe Kelowna die Myra Canyon Trestles zu bewandern. 18 supergeniale, hohe hölzerne Eisenbahnbrücken wie im Wilden Westen auf einer Strecke von 12 km. Wir sind total traurig, denn der Eintritt bleibt uns wegen Baumfällarbeiten an diesem Tag verwehrt. So fahren wir weiter in Richtung Osten nach Nelson und übernachten dort im historischen Hume-Hotel von 1898 (s. u. Reisetipps). Zu früheren Besuchszeiten von uns flanierten in der bekannten Baker Street mit ihren hübschen, bunten Holzhäusern Hippie-ähnliche Menschen. Es gab viel Musik und es war sehr romantisch. Zu unserem Bedauern ist von diesem Flair heutzutage nicht mehr viel übrig geblieben. Einen Tag später brechen wir über Creston, Cranbrook, Fernie, Pincher Creek und Crowsnest in den Waterton Lakes National Park auf, unsere südöstlichste Tourecke. Uns erwarten Regen, Graupel, graue Wolken und Eiseskälte bei knapp über null Grad! So haben wir uns das nicht gedacht. Zudem hat auch noch das berühmte Hotel "Prince of Wales", auf dem kleinen Hügel direkt vor dem grandiosen See mit Bergkulisse dahinter, geschlossen. Toll! Mit zittrigen Eisfingern macht Andrea noch ein Timelapse-Video von dem Bisschen, was wir sehen können. Wir essen danach eine schlecht zubereitete Pizza und schlafen im nicht allzu gemütlichen Bayshore Inn.

Kommando zurück. Das Wetter sieht ein wenig besser aus am nächsten Morgen. Kurz nach der Ortsausfahrt doch noch eine kleine, nicht erwartete Begegnung: Andrea will ein Stückchen Natur fotografieren und plötzlich umgibt uns eine Herde Rehe, die überhaupt keine Angst vor Menschen haben. Ein paar davon lecken mit ihren langen Zungen unseren Jeep ab. Matthias sitzt drin, Andrea ist draussen. Wir fahren dieselbe Strecke über eine wunderschöne Hochebene und einen spannenden Pass wieder zurück und biegen bei Cranbrook auf die Highways 93/95 über Kimberley nach Norden ab.

Die ersten Aufnahmen von Bighorn-Schafen ganz nah entstehen mitten in der Landschaft. Auch sie lassen sich von nichts beeindrucken und sonnen sich in der aufkommenden Wärme. Nächster Halt ist Golden, in unserer Erinnerung ein eher unscheinbarer Ort am Rande der Rocky Mountains. Aber weit gefehlt! Der kleine Ort glänzt frisch herausgeputzt  mit einem großen, interessanten Eisenbahngelände und netten kleinen Restaurants. Es ist 20 Grad, nur noch ein paar Wolken und die Sonne lacht. Übernachten werden wir in einem sensationellen B&B samt sehr freundlichen Gastgebern hoch über Golden (s.u. Reisetipps). Gespeist wird am Abend in dem nicht minder fantastischen "1122" in der Ortsmitte. Sie kochen dort echt prima. Eine große Überraschung für uns.

Wir nehmen uns für den nächsten Tag folgende Fotoziele vor: a) Ein Wolf-Wildlife Center, b) eine Büffelfarm und c) die ewig langen Eisenbahngüterzüge in Golden. Das "Northern Lights Wildlife Wolf Centre" wurde 1998 von Shelley und Casey Black gegründet und liegt etwas verborgen in der Nähe von Golden im Blaeberry Valley (kein Schreibfehler!). Es beherbergt ein Wolfsrudel mit in Gefangenschaft genommenen oder nach der Geburt dem Zentrum geschenkten Wölfen. Die Blacks und ihre Unterstützer kämpfen seit Jahren für wolffreundlichere Gesetze in Kanada und nehmen beim Erzählen kein Blatt vor den Mund.
Ihr Programm "Walk with Wolves" ist Teil ihrer Aufklärungsarbeit. Wir würden hier an dieser Stelle gerne sehr viel mehr Wissenswertes und sicherlich noch Unbekanntes über Wölfe schreiben, was wir dort gehört haben, aber dies würde den Rahmen des Reiseblogs echt sprengen. Stattdessen hier für Interessierte der Link zur englischen Webseite www.northernlightswildlife.com Unser Wunsch: Lest es einfach einmal dort. Ihr werdet total überrascht sein, was Ihr über Wölfe erfahrt!

Der Besuch der Büffelfarm fällt ins Wasser, da schlicht und ergreifend keine Büffel da sind. Sie befinden sich wohl auf Sightseeingtour, irgendwo.
Tja, und dann noch die Eisenbahnen. Wir fahren mit unserem Auto einfach mal auf das riesige Gelände dort und werden - nach nur wenigen Fotos - von den Sicherheitsleuten darauf aufmerksam gemacht, dass wir hier, aus Sicherheitsgründen natürlich, nicht erwünscht sind. Kaum haben wir das Areal verlassen und befinden uns oberhalb dessen auf dem Highway (um von dort zu fotografieren), werden wir von einem Polizeiwagen angehalten. Er weist uns diskret darauf hin, dass auch dieses Vorhaben nicht gesetzeskonform ist und überprüft unsere Papiere. Nach mehr als einer Stunde Warten entlässt uns der freundliche Polizist mit deutscher Oma dann endlich aus seiner Obhut.

Wir sind weiterhin in Kanada nicht vorbestraft und machen erleichtert noch einen Nachmittags-Abstecher nach Westen die Rockies hinauf. Die ersehnten Spiral Tunnels kann man inzwischen leider fotografisch und auch sonst vergessen, da die hohen Tannen mehr oder weniger alles verdecken. Und ein langer Zug kommt natürlich erst, als wir fast wieder in Golden zurück waren. Auch die zu dieser Jahreszeit wassergefüllten Takkakaw Falls sinds für uns nicht erreichbar. Die Weg dorthin ist gesperrt.

Wir möchten gerne die landschaftliche schöne Strecke von Radium Hot Springs nach Banff über den Highway 93 geniessen und fahren deshalb wieder ein Stückchen nach Süden, um dann nach Nordosten abzubiegen. Unterwegs sehen wir den kleinen, smaragdgrünen Vista Lake von oben auf 1.700 m Höhe unter uns liegen und träumen ein wenig in die einsame Landschaft hinein. Wir erreichen den Banff National Park und treffen auf zwei berühmte, jedoch komplett vereiste und mit Schnee bedeckte Seen.

Der weltberühmte Lake Louise und Moraine Lake. Damit hatten wir Ende Mai definitiv nicht (mehr) gerechnet! Auf dem letztgenannten See laufen Horden von Menschen herum und wir entdecken eine fotografisch sehr interessante Gruppe von buddhistischen Mönchen in ihren gelb-orangefarbenen Kutten. Den Luisen-See werden wir wohl nie mehr besuchen, denn die Touristenmengen sind unfassbar groß, das wunderschöne See-Hotel ist gesperrt für diese Menschenmassen, nur Hotelgäste haben heute noch Zutritt. Die Parkplätze sind noch monströser als die in manchen Großstädten Europas. Das kannst Du getrost vergessen. Nach einer Übernachtung in Banff und einem schmackhaften "Mexikaner" am Abend entdecken wir die drei kleinen Vermilion Lakes am Stadtrand gelegen. Ein total romantischer Anblick. Genuss pur für Naturliebhaber. Andrea fotografiert jede Mengen Vögel und Enten(familien). Die Entenkinder werden im Volksmund "Loonies" genannt, weil sie rundlich und flauschig sind und auf der kleinen Brust einen Kreis haben, der an die goldfarbenen 1-Dollarmünzen Kanadas zu früheren Zeiten erinnern.

Leider ist der auf unserem Plan stehende Johnston Canyon auch geschlossen. Wir fragen uns zum wiederholten Male, warum eigentlich. Ziel ist daher heute Revelstoke, ein kleiner süßer Ort mitten in den Bergen. Am späten Nachmittag sitzen wir dort auf einer Parkbank gemütlich in der Sonne am Ufer des Columbia Rivers und entspannen uns ein wenig vom Tag.

Nächste Station ist Vernon am Nordende des Okanagan Lake. Das ist diejenige Stadt, in der wir vor 26 Jahren in einem B&B namens "Castle on the Mountain" bei unseren kanadischen Freunden geheiratet haben. Das Castle gibt es zwar immer noch, hat jetzt einen neuen Besitzer und es werden nur noch zwei Zimmer vermietet. Wir übernachten trotzdem in nostalgischer Erinnerung dreimal dort. Und vermissen die alten Zeiten und die familiäre Atmosphäre von früher. Kein gemeinsames Frühstück und kein nächtlicher Outdoor-Whirlpool mehr. Mit Sharon, Eskil, Lyndell und Ian machen wir übers Wochenende eine Winery-Tour auf den alten romantischen Strassen des länglichen Landstrichs zwischen dem Okanagan und dem Kalamalka Lake und essen zum Lunch eine geniale Lobster-Pizza. Und natürlich gibt es Eskil´s legendäres Originalfrühstück mit warmen Porridge und Whipped Cream inklusive zermantschter frischer Himbeeren. Alles geht einmal zu Ende. Es wird wohl das letzte Treffen dieser Art gewesen sein.

Wir machen an diesem etwas traurigen Abend zu Zweit die Grobplanung für die zweite Hälfte der Autotour und verlassen unseren Heiratsort frühmorgens wieder in Richtung Rocky Mountains nach Norden. Über Kamloops kommen wir über die Highways 97 und 5 zum endlich einmal sonnenüberfluteten und klar sichtbaren Mount Robson nach Jasper, wo uns eine Wärme von über 28 Grad C. erwartet. Bei all unseren Besuchen vorher hüllte sich der Berg immer geheimnisvoll in die Wolken. Allzu viel hat sich in diesem traumhaft in den Bergen eingebetteten Ort in der Zwischenzeit nicht verändert. Ein "Must" ist natürlich der neue, breit ausgebaute Icefield Parkways - einmal runter und wieder hoch mit insgesamt fast 500 km an diesem Tag mit ausgewählten Zielen: Den schäumenden Athabasca Falls, dem immer weiter abschmelzenden Athabasca Glacier mit neuen Wegen und Parkplätzen für die Besuchermengen und den leider tiefgefrorenen Bow Lake und Peyto Lake. Wir hätten beide so gerne in ihrem milchigen Smaragdgrün fotografiert.

Am 2. Tag noch eine schöne Fahrt zum schönsten See der gesamten Tour, dem Maligne Lake. Matthias legt sich mit dem Guide eines riesigen schwarzen Reisebusses an, der mit seinem überlauten Dieselmotor Elche und Schwarzbären am Straßenrand verscheucht. Gerade als die chinesischen Businsassen wieder einmal durchs Fenster mit ihren Handys und iPads versuchten, irgendwelche Bilder zu machen. Eine amerikanische Touristin schreit Andrea aus scheinbarem Sicherheitsabstand heraus an: "This is a bear!!" - als wüssten wir nicht, was das für ein Pelztier ist und wie man mit einem solchen umzugehen hat. Und ein Japaner rennt mit erhobener Kamera die Böschung herunter direkt auf einen Bären zu.

Nun ja, an diesen Tagen haben wir wirklich viel Glück mit unserer Tierfotografie: Grizzlys, Schwarzbären, Weißkopfadler (im Nest hoch oben auf einem total vertrockneten Baum), Elche, Bighorn Sheep, Enten, Rehe, kanadische Gänse, eine Art "Wiesel", Wapiti-Hirsche, Wölfe und jede Menge Vögel. Am Abend des letzten Tages in Jasper lässt Matthias sein Portemonnaie mit Allem drin einfach mal so auf einem Haufen Bananen in einem Supermarkt liegen. Was ein Glück haben das die Angestellten gesehen und es uns unversehrt zurückgegeben! Eine Empfehlung fürs Dinner in Jasper ist übrigens das Kimchi House Korean Restaurant (s. Reisetipps).


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